Die arglos ältere Dame
Eine frei erfundene Geschichte, die sich aber heutzutage so zutragen könnte. Eine gesunde, aktive, ältere, Dame ist der Ausgangspunkt der Geschichte. Nicht nur ihren Körper hält sie fit, sondern sie ist auch die, die sich mit dem Internet in Ihrer Gruppe an Freundinnen auskennt. So kommt es vor, dass Sie für Ihre Freundinnen nach Informationen sucht. Die Suche konzentriert sich hierbei meist auf Krankheitssymptome der Freundinnen und deren Ehemännern. Als Suchmaschine verwendet sie ausschliesslich Google, hat aber kein Google Konto.
Ohne Konto ist man auch bekannt
Google hat sich natürlich auch damit beschäftigt, wie sie solche Benutzer erkennen und eindeutig einem Profil zuordnen können. Die Zuordnung ist unter anderem Basis für die gelieferten Suchergebnisse. Im Fall unserer älteren Dame wird, wenn sie nach dem Ausdruck, japanisches Restaurant, nicht die Liste aller japanischen Restaurants in der näheren Umgebung erhalten, sondern das Ergebnis beschränkt sich auf die Restaurants, die eine traditionelle Teezermonie anbieten. Das Patent dazu wurde Google im Jahre 2005 bereits erteilt (vgl.: Patentschrift). Die Techniken dazu ändern sich laufend. Mausbewegung und Tastaturanschlag sind je Benutzer ziemlich unterschiedlich – so wie die Handschrift eines Benutzers. Google liefert ziemlich genau das gewünscht Ergebnis aus dem Kontext, den sie annehmen.
Konsequenzen?
Jetzt ist es passiert, dass die ältere Dame als einzige aus Ihrem Freundeskreis kein Angebot für eine Seniorenreise erhalten hat. Auf Nachfrage waren leider auch schon alle Plätze belegt und Zimmer vergeben. Was kann da jetzt passiert sein? Im Rahmen der Digitalisierung seiner Wertschöpfungskette bedient sich der Reiseveranstalter der größten branchenübergreifenden Warteschlange für mögliche Kunden – er fragt Google. Die Frage, die er stellt, ist, ob die Liste an Personen mit den gewünschten Attributen übereinstimmt. Der Veranstalter übergibt Google – direkt oder indirekt spielt hier keine Rolle – seine Kundendaten. Google liefert als Ergebnis nur die Namen der Benutzer zurück, die aus Sicht von Google, den Kriterien entsprechen. In unserem Fall stellt unsere arglose ältere Dame wahrscheinlich ein zu hohes gesundheitliches Risiko dar. Der Veranstalter bekommt Ihren Namen nicht mehr zurückgeliefert. Das Risiko schlägt sich auch in der Form einer höheren Prämienvorschreibung für den Reiseveranstalter nieder, oder er übernimmt das schwer abschätzbare finanzielle Risiko aus einem Gesundheitsvorfall selbst. Die Risikoannahme rührt vor allem aus dem Suchverlauf der arglosen älteren Dame her.
Gedanken dazu
Ähnliche Geschichten lassen sich auch sicher über Lehrerinnen erzählen, die in Ihrer Studienzeit Fotos auf sozialen Medien gepostet haben und schon in der ersten Runde für eine Stelle ausgeschieden wurden. Alle Geschichten haben gemein, dass meist automatisierte Entscheidungen gefällt werden, die lebensbeeinflussend sind. Der, oder die Betroffene ist in die Entscheidungsfindung weder eingebunden, noch wird die Entscheidungsfindung in einer nachvollziehbaren Form durchgeführt. Im Fall der älteren arglosen Dame würde wohl ausreichen, dass sie darlegt für andere gesucht zu haben. Aber die Chance bekommt sie nicht. Beweggrund diese Art von Entscheidungsfindung nicht transparent für den Betroffenen zu machen ist wahrscheinlich nicht der Schutz eines Geschäftsgeheimnisses, sondern die Konsequenzen aus einem möglichen Verstoß gegen Richtlinien und Gesetze. (Vgl.: Artikel 22 DSGVO)