Vertrauensmanagement – Cyber Security

Oder, warum WhatsApp die Funktion einer Einmalansicht einführt, um das Vertrauen der Benutzer wieder zu gewinnen nach dem Vertrauensverlust durch die Änderung der Nutzungsbedingungen. Diese ist eine persönliche Betrachtung der neuen Funktion von WhatsApp. Empfänger von WhatsApp Nachrichten können nun ausgewählte Inhalte, wie Video und Foto, nur einmal ansehen.

Was hat es nun mit dieser Funktion auf sich?

Die Funktion ist bereits von anderen Diensten, wie Snapchat, TikTok, Instagram und Facebook (vgl.: Stories), bekannt und im Einsatz. WhatsApp bietet jetzt diese Funktion auch an. Sie muss aktiv vom Benutzer jedes mal ausgewählt werden, nur dann kann der Empfänger diese Datei nur einmal öffnen. Das zeigt auch das grundlegende Problem. Im Gegensatz zu anderen Diensten mit der selben Funktion muss diese Funktion jedes Mal aktiv ausgewählt werden. Ergo liegt der Schluss nahe, dass, wenn die Funktion aktiviert wird, es sich um sensible Information handelt. Sensibel, weil der Inhalt vom Absender so eingestuft wird. Natürlich kann es auch andere Gründe geben, aber die werden der Hauptbeweggrund sein. Nebenbeweggründe können sein, das reine Ausprobieren der Funktion, unbedarfte Empfänger zu ärgern.

Wie sieht nun die Funktion aus?

Die Funktion ist ähnlich der von Snapchat mit folgenden Unterschieden,

  • Die Funktion Einmalansicht/ View-Once muss bei jedem Senden individuell aktiviert werden.
  • Der Empfänger sieht ein Zeichen (vgl.: Icon), dass er mit einem Klick aktiveren muss. Die Aktivierung wird durch das Schliessen des halboffenen Kreises um die Ziffer Eins dargestellt.
  • Empfänger können den Inhalt nicht teilen, speichern oder als Favorit markieren.
  • Wird der Inhalt nicht innerhalb von 14 Tagen abgerufen, dann „verschwindet“ er.
  • Verschlüsselte Inhalte können für einige Wochen auf WhatsApp Servern zwischengespeichert werden.
  • Ungelesene Einmalansicht Inhalte werden in ein BackUp einbezogen. Bereits gelesene Einmalansicht Inhalte werden von einem Backup ausgeschlossen.
  • Absender werden nicht über Bildschirmaufnahmen benachrichtigt. (Anm.: Bei Snapchat erfolgt eine Benachrichtigung an den Absender, wenn ein Screenshot gemacht wird)

Diese Informationen sind in der Onlinehilfe (vgl.: FAQ Bereich der Webseite) zu dieser Funktion von WhatsApp ersichtlich.

Was hat die Funktion für möglich Konsequenzen?

Die Funktion erzwingt sowohl auf Sender-, wie auch auf Empfängerseite, zusätzliche Aktionen. Der Aufwand für den Benutzer wird erhöht, um sein Ziel zu erreichen. Entweder als Sender einen Inhalt zu veröffentlichen, oder als Empfänger einen Inhalt anzuzeigen. Die Zeitspanne, um über die Handlung und die möglichen Konsequenzen zu reflektieren, wird länger. Der (Lust-)Gewinn am Teilen wird wahrscheinlich abnehmen und vielleicht mehr einer rationalen Entscheidung unterliegen. Das mag vielleicht sogar zu einem Rückgewinn der Autonomie des Einzelindividuums führen.

Was hat diese Funktion nun für mögliche Konsequenzen?

Der Absender mag vielleicht die vermeintliche begrenzte Verfügbarkeit als (Sicherheits-)Gewinn betrachten. Das bewahrt ihn aber leider nicht davor, dass 

  • der Empfänger, den Absender und seinen versendeten Inhalt, wegen eines Verstosses gegen Gesetze, Richtlinien und/ oder Geschäfts- und Nutzungsbedingungen melden kann. Somit bekommt der Betreiber des Dienstes Zugriff auf den Inhalt. (Vgl.: Hinweis der Aufbewahrung verschlüsselter Inhalte auf WhatsApp Servern in der Onlinehilfe.)
  • der Empfänger eine Bildschirmaufnahme machen kann und diese auch noch speichert. Damit ist die eigentliche zeitliche Begrenzung wieder aufgehoben. Die Aufnahme kann auch über ein Foto vom Bildschirm direkt erfolgen.
  • die blosse Verwendung der Funktion den Anschein erweckt, es könnte sich um etwas anstössiges, vielleicht sogar um etwas verbotenes, handeln. Bei anderen Diensten wird diese Funktion unter anderem für sogenanntes Sexting zum Beispiel eingesetzt.

Warum macht das WhatsApp überhaupt?

Zwei Beweggründe lassen sich ableiten. Einerseits, um die Attraktivität des Dienstes an sich zu gewährleisten, indem die Funktionalität erweitert wird. Andererseits eine aussenwirksame Maßnahme, um die Vertrauensbasis mit den Benutzern zu stärken. Gleichsam als Gegenmaßnahme zur erfolgten Änderung der Geschäftsbedingungen und dem einhergehenden Reputationsverlust. Die Änderung hat vor allem zum Inhalt, dass dem Mutterkonzern Facebook Zugriff auf Benutzerdaten für Werbeanzeigen gewährt wird.

Das Image und die Vertrauensbasis gegenüber WhatsApp hat in letzter Zeit abgenommen. Es kommt deswegen auch zur Verwendung von alternativen Diensten, wie Threema und Signal. Das heisst aber nicht, dass die Nutzer alternativer Dienste ihr Konto gelöscht und die Benutzung eingestellt haben. Vielmehr hat sich in der Gewichtung der Verwendung der Dienste etwas geändert. Offensichtlich ist Datenschutz und Privatsphäre nicht das Hauptargument einen solchen Dienst zu nutzen. Im Vordergrund steht offensichtlich das Bewahren von etablierten Kommunikationskanälen. Ein Unterschied zwischen den einzelnen Diensten in der Benutzerergonomie ist auch nur marginal feststellbar.

Schlussfolgerung

In letzter Konsequenz zählt das subjektive Empfinden, das entgegengebrachte Vertrauen. Dem ist so, weil das Abschätzen der Folgen für den Einzelnen nicht möglich ist. Es fehlt die persönliche Erfahrung und das (vor allem) technische Wissen über das Mögliche und das Machbare. Es kommt zu einer Entscheidung aus dem Bauch heraus – einer intuitiven Entscheidung. Die ist an sich nicht schlecht und ist genauso individuell, wie die Person, die sie trifft. Was herauskommt werden wir alle erst sehen und vor allem müssen wir mit den Konsequenzen leben.

Eine Organisation verfolgt immer ein Ziel und dabei geht es immer um das (wirtschaftliche) Überleben der Organisation an sich. Um ein Gegengewicht zu dieser Machtasymmetrie zwischen dem Einzelnen (Betroffener und Benutzer) und der Organisation zu schaffen ist vor allem der Datenschutz und konkret die Datenschutz Grundverordnung (vgl.: DSGVO) – damit nicht alleine auf Kosten und zu Lasten des Schwächeren das Überleben einer Organisation gesichert wird.

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